Bin ich asexuell? Kritik und unsere Antworten

Bin ich asexuell? “ wird als Test rege genutzt und löst ebenso rege Diskussionen aus. Genau dies war beabsichtigt.

Wir haben nunmehr die Stellungnahmen aller Testnutzer zu „ Bin ich asexuell? “ ausgewertet, die sie als freie Texte am Ende des Tests formulierte. Außerdem haben wir uns diverse Kritiken in asexuellen Foren und Blogs angeschaut.

Methodik

Alle kritischen Kommentare zu „ Bin ich asexuell? “ wurden gelesen und inhaltsanalyisch sich im Verlauf des Lesens entwickelnden Kategorien zugewiesen. Im Anschluss erfolgte ein zweiter Durchgang, bei dem die Kategorie-Zuweisungen noch einmal überprüft und korrigiert wurden. Ebenfalls wurden sehr ähnliche Kategorien zusammengefasst.

Es resultierten 12 hauptsächliche Kritiken, die an dem Test und/oder uns vorgebracht wurden. In diesem Artikel beantworten wir die Kritik.

Wir antworten auf Kritik

– Es fehlt eine Erklärung, was Asexualität ist

Diese Erklärung fehlt bewusst, wobei am Ende des Tests aber auf den Artikel zum Testkonzept hingewiesen wird. Eine umfangreiche statistische Auswertung liegt auch vor.

Der Test leitet die Teilnehmenden durch eine Reihe von Fragen. Diese Fragen enthalten eine Reihe von Besonderheiten des sexuellen Erlebens und Verhaltens. Aufgrund der gegebenen Antworten ergibt sich das Testergebnis. Dies erscheint uns sinnvoller, als einfach Asexualität zu definieren und dann um eine Selbsteinschätzung bieten.

Die erfragte direkte Selbsteinschätzung „ Bin ich asexuell? “ dient lediglich dazu, festzustellen, inwiefern diese vom Testergebnis abweicht und inwiefern sie sich im Testverlauf verändert. In das Testergebnis geht sie nicht ein.

Die Teilnehmenden sollen nicht einfach nur ihre eigenen Konzepte und Vorabüberlegungen einbringen. Sie sollen vielmehr zu einer noch einmal neutraleren Überprüfung und Reflexion angeregt werden. Genau dies wird durch das Format von „Bin ich asexuell?“ nach unserer Überzeugung erreicht.

– Test sollte psychologisch hintergründiger sein

Die Teilnehmenden nehmen am Test teil, um sich selbst besser einschätzen zu können. Sie möchten wissen, ob sie asexuell sind. Es ist in ihrem eigenen Interesse, ehrlich zu antworten. Denn sonst ist das Testergebnis falsch.

Immer dann, wenn Menschen motiviert sind, ehrlich zu antworten, sind direkte Fragen nach wissenschaftlichen Befunden am effektivsten. Wir glauben nicht, dass „ Bin ich asexuell? “ irgendetwas vor den Teilnehmenden verstecken oder vergeben sollte.

Es geht nicht um Überlistung, sondern um eine angeleitete Selbsteinschätzung. Genau dies haben wir in „ Bin ich sexuell? “ umgesetzt.

– Test ist zu kurz

Der Test ist für unterschiedliche Teilnehmende unterschiedlich lang. Sobald der Test zu dem Ergebnis kommt, dass eine Asexualität eher nicht besteht, endet der Test. Deshalb haben manche Teilnehmenden den Eindruck, dass der Test kurz sei und zu wenige Fragen enthalte.

Man nennt dies ein adaptives Vorgehen – in Abhängigkeit von einer vorherigen Antwort wird eine bestimmte weitere Fragen gestellt oder nicht. Die Logik ist, dass es z. B. einfach keinen Sinn mehr macht, jemanden durch zahlreiche Fragen zu leiten, wenn er oder sie gleich am Anfang erklären, Interesse und Spaß am Sex mit einem Menschen zu haben. Denn offensichtlich kann bereits jetzt Asexualität ausgeschlossen werden.

„ Bin ich asexuell? “ hat das Ziel, so wenige Fragen wie möglich zu präsentieren, um zu einer dennoch sicheren Einschätzung zu gelangen.

– Andere Tests erbrachten ein anderes Ergebnis

Das kann durchaus sein. Wir haben den Test „ Bin ich asexuell? “ ja auch deshalb konzipiert, weil es unser Eindruck ist, dass bei anderen Tests oder Fragenkatalogen wichtige Abgrenzungen nicht getroffen werden.

Wir glauben, dass unser Test Asexualität differenziert erhebt und auch von anderen Konzepten effektiv angrenzt. Uns ist kein anderes Verfahren bekannt, was dies in diesem Umfang und dieser Differenziertheit leistet.

„ Bin ich asexuell? “ ist deshalb nach unserer Überzeugung ein echter Gewinn für die asexuelle Community und alle Menschen, die sich mit der Frage beschäftigen, ob sie womöglich asexuell seien.

– Test bringt keinen Gewinn

„Das wusste ich alles schon vorher“. Unsere Auswertungen zeigen, dass eine Reihe von Teilnehmenden nach Absolvieren von „ Bin ich asexuell? “ ihre Ansicht änderten.

Zudem hält die große Mehrheit das Testergebnis für korrekt und mehr als 2/3 befinden auch den Test für gut.

Der Test kann nach unserer Einschätzung und nach den vorliegenden Daten wirklich helfen, besser einschätzen zu können, ob sie asexuell sind. Während der Test natürlich auch viele Menschen in ihren Vorannahmen bestätigt, führt er bei einigen zu diskrepanten Ergebnissen.

Mit den Testergebnissen können sich die meisten Teilnehmenden aufgrund ihrer offenbar hohen Überzeugungskraft identifizieren.

– “ Bin ich asexuell? enthält keine Zwischentöne

Teilnehmende erhalten nicht nur ein Ergebnis, dass sie asexuell oder nicht asexuell seien. Tatsächlich differenziert der Test u. a. zwischen asexuell, grayasexuell und demisexuell. Sexuelle Funktionsstörungen und soziale Hemmungen, aber auch Fetischismus werden zuverlässig von Asexualität abgegrenzt. Ebenfalls betont der Test die Notwendigkeit von Selbstreflexion.

Der Test enthält insofern viele Zwischentöne, die aber dann nicht angezeigt werden, wenn sie nicht zutreffen. Wer sich eindeutig als asexuell schildert, dem wird dies auch so angezeigt. Wer demgegenüber gray-asexuelle Merkmale aufweist, dem wird dies ebenfalls zurückgemeldet.

– Vorgegebene Antworten passen nicht

Es ist schwierig oder sogar unmöglich, Fragen und Antworten zu formulieren, die von jedem Einzelnen immer als passend erlebt werden. Dennoch denken wir, dass die Fragen und Antworten einen eindeutigen Bezug zur Thematik haben und auch beantwortet werden können.

Dabei ist es sicherlich so, dass man manchmal die am ehesten passende Antwort wählen muss. Dies ist bei allen psychologischen Tests der Fall, es gilt nicht nur für unseren Test und nicht nur für Asexualität.

Tatsächlich haben sich in der Forschung solche Antwortformate als hochwirksam erwiesen, auch wenn der Einzelne öfter den Eindruck gewinnt, sie wären unpassend.

– Fragen vermischen Verhalten/Erleben mit Grund

Einige Fragen tun dies tatsächlich, was wir aber für notwendig halten. So sagt „keine sexuelle Aktivität“ noch nichts darüber aus, ob jemand asexuell ist oder nicht.

Wenn die Aktivität aber ausbleibt, weil kein Verlangen da ist, spricht dies für Asexualität. Bleibt die Aktivität aus, weil Hemmungen bestehen, spricht dies gegen Asexualität. Wir denken, dass die manchmal recht komplexen Fragen dem Thema Asexualität gerecht werden.

„Bin ich asexuell“ kann nicht nur beobachtbares Sexualverhalten oder dessen Abwesenheit analysieren, sondern muss sich ebenfalls mit der subjektiven Ursachenfrage auseinandersetzen.

– Test ist nicht sicher

Es gibt keine absolute Sicherheit. Der Test soll vor allem eine begründete Basis für eine effektive Selbsteinschätzung und Selbstüberprüfung geben. Dies tut er nach unserer Einschätzung stärker als alle anderen uns bekannten Verfahren.

Wenn die Fragen ehrlich und authentisch beantwortet werden, führt „ Bin ich asexuell? “ nach unserer Überzeugung und unseren Datenauswertungen zu einem korrekten Ergebnis.

– Es wird keine Hilfe gegeben

Wir halten es für hilfreich, wenn wir Teilnehmenden Hinweise geben können, ob sie asexuell sind oder ob vielleicht stattdessen keine Asexualität, sondern Hemmungen oder Schmerzen bei der Sexualität vorliegen.

Wir sehen auch in den Testergebnissen, dass dies oft nicht vorher von den Teilnehmenden reflektiert wurde. Außerdem geben wir Teilnehmenden dann Hinweise über die Möglichkeit einer Psychotherapie, wenn sich Hinweise auf sexuelle Funktionsstörungen ergeben.

„ Bin ich asexuell? “ ist nicht der Stein der Weisen. Der Test leitet aber eine fundierte Selbstreflexion an, die Menschen hilft, sich besser zu verstehen.

Aus vielen Rückmeldungen ergeben sich auch direkte Handlungsimplikationen, z. B. Teilnahme an einem sozialen Kompetenztraining bei Hemmungen oder Arbeit an der Akzeptanz bei Asexualität.

– Das kann man selbst nicht einschätzen

In das Testergebnis geht nicht die direkte Selbsteinschätzung der Teilnehmenden ein. Erfragt werden ziemlich konkrete Merkmale des Erlebens und Verhaltens, die Menschen für sich selbst beantworten können.

Aus diesen konkreten Merkmalen ergibt sich dann, ob der Test zu dem Ergebnis asexuell, gray-asexuell, demisexuell, Orgasmusbeeinträchtigung, Schmerzen bei der Sexualität, schmerzhafter Mangel an sexuellem Verlangen, sexuelle Hemmungen, Ekel vor Sexualität oder Erektionsstörungen gelangt.

Durch die konkreten Testfragen wird dies für die Teilnehmenden besser nachvollziehbar. Nach unserer Überzeugung ist eine Einschätzbarkeit für alle Fragen gegeben.

– Das ist kommerziell

Der Test „ Bin ich asexuell? “ wird vollkommen kostenfrei angeboten. Richtig ist aber auch, dass der Test ebenfalls auf unsere Kennenlern-Community Gleichklang aufmerksam machen soll. In unserer Gesellschaft müssen wir alle auch ökonomisch überleben. Dies gilt auch für die Betreiber und Mitarbeiter von Gleichklang.

Aus Überzeugung

Wer aber denkt, wir würden mit Asexualität das große Geld verdienen, irrt. Asexualität ist selten und auch bei Gleichklang ist nur eine kleine Minderheit der Mitglieder asexuell.

Mit unserer asexuellen Suchoption bei der Partnervermittlung und Freundschaftsvermittlung machen wir keinen Gewinn. Wir engagieren uns aus Überzeugung für die Sichtbarkeit von Asexualität und die Unterstützung der Partnersuche und Freundschaftssuche asexueller Menschen.

Wir denken, dass hierzu auch „ Bin ich asexuell? “ einen wirksamen Beitrag leistet. Es handelt sich unseres Wissens um den einzigen Test, der psychologisch professionell entwickelt wurde und kontinuierlich evaluiert wird.

Wir denken, die asexuelle Community sollte es begrüßen, wenn die Thematik Asexualität auch von Unternehmen, wie dem unserem, aufgegriffen wird.

Resümee

Wir freuen uns jederzeit über Kritik, Lob und Verbesserungsvorschläge. Den Test werden wir kontinuierlich weiterentwickeln und jederzeit auf Kritik eingehen.

Wir möchten diesen Test als ein Standard-Instrument für alle Menschen etablieren, die sich frage, ob sie möglicherweise asexuell sind.

Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass wir damit auf einem sehr gutem Weg sind.

Wir bitten euch ebenfalls, euch an der aktuellen Umfrage zu beteiligen. Denn wenn wir deutlich mehr Ergebnisse haben, können wir den Test auf ein noch besseres FUndament stellen!

About Author:

Guido F. Gebauer, studierte Psychologie an den Universitäten, Trier, Humboldt Universität zu Berlin und Cambridge (Großbritannien). Promotion an der University of Cambridge zu den Zusammenhängen zwischen unbewusstem Lernen und Intelligenz. Im Anschluss rechtspsychologische Ausbildung, Tätigkeit in der forensischen Psychiatrie und 10-jährige Tätigkeit als Gerichtsgutachter. Gründung der psychologischen Kennenlern-Plattform www.Gleichklang.de 2006. Bloggt u.A. für asexuell.info, Hochsensible.eu, vegan.eu.

5 thoughts on “Bin ich asexuell? Kritik und unsere Antworten

  1. ich verlinke nicht auf eine andere seite, fand dort aber eine umschreibung für mein eher gefühlsmässiges fazit bzgl eurem test: unterscheiden wird im artikel bei hamburg zwei vor allem bzgl asexualität und aromantisch, zwischen bisexuell und biromantisch, usw. vielleicht ist demisexualität/romantik nur eine ausformung oder ein zusätzliches adjektiv für alle sexualausrichtungen… auch hier im artikel schreibt ihr mal: „Bleibt die Aktivität aus, weil Hemmungen bestehen, spricht dies gegen Asexualität.“ das mag für psychologen durchaus so sein, empfinde ich aber als leicht abwertend und durchaus ausgrenzend. ich bin mir ziemlich sicher, dass das meiste bei mir auf mein romantisches empfinden zurückzuführen ist, während das sexuelle interesse nunmal bei den meisten anderen im vordergrund steht (da hab ich zumindest auch als unbeteiligter schon einiges an problemen erlebt deswegen.).
    aus der einleitung auf hamburg zwei: „Egal ob pan, litho oder demi – viele dieser Menschen interessieren sich entweder nur für das Romantische an einer Beziehung, oder für das Sexuelle.“ das deckt sich mit meiner erfahrung, während diese entweder sexuell oder gehemmt/schmerzen darstellung bei euch zwar vermutlich hilfreich sein kann, psychologisch sicherlich nicht unrichtig ist (ich kenne auch psychologen, die eher in richtung einer befreiungstheologie für sexualität predigen), aber mich nicht trifft und meiner ansicht nach unzureichend die realität beschreibt.

    1. Du kannst auch gerne auf eine andere Seite verlinken. Hemmungen bezieht sich darauf, dass jemand etwas möchte, sich aber nicht traut. Diese Person weiß selbst, dass sie es möchte, aber Hemmungen hat. Mit Abwertung hat das also wirklich nichts zu tun. Wer Sexualität möchte, aber dies aus sozialen Ängsten unterlässt, ist nicht asexuell. Wenn du aber gar keine Sexualität möchtest, dann wird dies in unserem Test ja auch nicht als Ausdruck von Selbstunsicherheit und Hemmungen dargestellt. Mit den Schmerzen ist es das Gleiche: Wer Sexualität möchte, aber unter Schmerzen (z.B. Verkrampfungen) leidet und daher keiner Sexualität nachgeht, der ist nicht asexuell. Es kommt auf den Wunsch, also das Verlangen an. Siehst du dies denn anders?

  2. Moin,

    Ich hätte zunächst einmal die Frage, inwieweit sexuelle übergriffe bzw. (sex.)Missbrauch im Kontext zur Umfrage als tatsächliche „sexuelle Erfahrung“ gewertet werden. Mich interessiert, wie man das empirisch betrachtet. Auch wenn man das selbst nicht als sexuelle Interaktion einordnet, sondern als Ergebnis unerwünschter Übermächtigung durch Gewalt, bleibt das Ankreuzen bei einer Frage schwierig, welche sich mit sexueller Erfahrung auseinandersetzt.

    Weiter interessiert mich, ob bei der Auswertung berücksichtigt wird, dass es einen Unterschied gibt, ob eine asexuelle Person solchen Übergriffen zum Opfer wird,oder eine sexuelle Person. Oder ob die asexuelle Person durch solche Erfahrungen ihren asexuellen Ausgangsstatus verliert, bzw. im Zusammenhang mit der Gewichtung der Antworten dazu führen kann, dass beispielsweise Asexualität plus Missbrauchserfahrung / plus Repulsionsentwicklung eher als nicht asexuell denn asexuell gewertet werden kann.

    danke für’s Zeit nehmen,
    Gruß,

    Tim Bauer

    1. IN der Umfrage geht es uns darum, überhaupt erst einmal zus schauen, welche Zusammenhänge es gibt. Es wird entsprechend vielgestaltig gefragt. Ob es dann einen Zusammenhang z.B. zwischen sexuellen Missbrauchserfahrungen und selbst als solche für sich angenommener Asexualität gibt, ist dann zu schauen. Da auch sexuelle Personen sich an der Umfrage beteiligen (die teilweise natürlich andere Fragen beantworten) können auch differentielle Zusammenhänge betrachtet werden. Sexuelles Missbrauchserleben würde nach m.E. Asexualität nicht ausschließen, wenn die phänomenologischen Merkmale erfüllt sind. Bereits jetzt kann ich „verraten“, dass es in der Umfrage bisher keineswegs so aussieht, als ob erlittener sexueller Missbrauch typischerweise mit Asexualität verbunden wäre. Die Ergebnisse möchten wir erst veröffentlichen, wenn wir 500 die gesamte Umfrage beantwortete Teilnehmer/innen haben, die ihre Sexualität als asexuell beschreiben. Wir hoffen, dass dies in ca. zwei Monaten der Fall sein wird.

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