Grundlage der Auswertung und Vorbemerkungen
Insgesamt haben 2865 Menschen unseren Test „Bin ich asexuell?“ bisher ausgefüllt. Zeit für eine Auswertung und Überarbeitung des Tests. Die Ergebnisse werden in diesem Artikel dargestellt und die vorgenommenen Veränderungen werden begründet und diskutiert.
Die Auswertung stützt sich auf diejenigen 2598 Teilnehmer, die ein Mindestalter von 16 angegeben hatten. Es handelt sich um 1888 Frauen, 641 Männer, 13 Intersexuelle und 56 Personen, die sich mit den angebotenen drei Geschlechter-Kategorien nicht identifizieren konnten. Das Alter der Betreffenden schwankte zwischen 16 und 85, wobei das durchschnittliche Alter bei 30,48 Jahren lag.
Wie gelangen die Teilnehmer zum Test?
Wie an den Weblogs erkennbar ist, gelangt die große Mehrheit der Teilnehmenden über eine Suche bei google zu uns. Tatsächlich findet man asexuell.info und den Test bereits auf der ersten google-Seite, wenn Begriffe, wie asexuell, asexuell test oder bin ich asexuell? eingegeben werden. Ein erheblich kleinerer Anteil der Teilnehmer kommt von Asexuellen-Foren zu uns. 10% der Teilnehmenden gelangen über unsere Partnerbörse www.Gleichklang.de zum Test.
Damit kann davon ausgegangen werden, dass die Teilnehmenden im wesentlichen repräsentativ sind für Menschen, die sich besonders für den Begriff der Asexualität interessieren und daher bei google danach suchen. Die hier vorgestellten Ergebnisse unterschieden sich nicht, wenn die Mitglieder von Gleichklang einbezogen oder ausgeschlossen wurden, so dass alle Analysen über die Gesamtstichprobe durchgeführt wurden.
Die Ergebnisse können keine Repräsentativität für alle Asexuellen beanspruchen, sind aber vermutlich im wesentlichen repräsentativ für Menschen, die sich für Asexualität interessieren und sich über Asexualität durch deutschsprachige Suchen im Internet informieren.
Was war das Ziel der Überarbeitung?
Mit der Überarbeitung des Tests sollten Klarheit, Verständnis und Akzeptanz des Tests unter Einbezug der bisherigen Ergebnisse wie auch der inhaltsanalytische Auswertung von insgesamt 198 Kommentaren von Teilnehmenden weiter verbessert werden.
Wie wird es weitergehen?
Der neue Test wird nun ebenfalls in einer großen Stichprobe analysiert und überprüft werden und die Ergebnisse werden hier dokumentiert werden.
Außerdem verstärken wir jetzt ebenfalls die sogenannte „Validierung“ des Tests. Dies bedeutet, dass wir in den Test verschiedene Fragen eingearbeitet haben, die zwar nicht in die Auswertung eingehen, es aber möglich machen, Verhaltens- und Erlebensunterschiede zwischen den Teilnehmenden erfassen und diese in Bezug zum Testergebnis zu setzen. Ebenfalls sollen die eingearbeiteten zusätzlichen Fragen weitere Einblicke in Asexualität und asexuelle Erlebnisweisen ermöglichen.
Ergebnisse
Wieviele der Teilnehmer sahen sich zu Testbeginn als asexuell?
Gesamtstichprobe
Am Anfang des Tests wurden die Teilnehmenden befragt, ob sie sich als asexuell betrachteten. Wir verwandten dabei eine sechstufige Skala von ja, auf jeden Fall, ja und eher ja bis hin zu eher nein, nein und nein, auf keinen Fall.
Es ergab sich folgende Verteilung der Asexualitäts-Einstufung vor Testbeginn für die gesamte Stichprobe:
% Gesamt | |
Ja, auf jeden Fall | 5,6 |
Ja | 14,2 |
Eher ja | 41,5 |
Eher nein | 25,0 |
Nein | 8,7 |
Nein, auf keinen Fall | 5,0 |
Es zeigt sich in der Gesamtstichprobe, dass sich insgesamt 61,3 % der Stichprobe vor Beginn des Testes mindestens eher dem Bereich der Asexualität zuordneten, während sich 38,7 % eher dem Bereich der Nicht-Asexualität zuordneten.
Das Überwiegen von Zuordnungen in Richtung Asexualität ergibt sich sicherlich daraus, dass sich für den Test spezifisch Menschen interessieren, für die das Thema Asexualität besonders wichtig ist. Menschen mit Asexualität sind insofern bei dem Test offensichtlich überrepräsentiert.
Auffällig ist zudem, dass die sicherste positive Bejahung von lediglich 5,6 % der Teilnehmenden gewählt wurde, gleiches gilt für die sicherste Verneinung. Auch die nach wie vor sehr sichere Bejahung mit dem einfachen ja wurde lediglich von 14,2 % der Betreffenden gewählt, das einfache Nein von 8,7 %. 41,5 % der Teilnehmenden wählten die schwächste Form der Bejahung und 25 % die schwächste Form der Verneinung.
In den besonders unsicheren mittleren Stufen befanden sich also vor Beginn des Tests 66,5 % der Teilnehmenden und damit eine klare Mehrheit.
Deutlich wird, dass in der Selbstwahrnehmung der Betreffenden die Zuordnung zu Asexualität oftmals offenbar keineswegs einfach ist, sondern eine erhebliche Unsicherheit besteht. Die Fragestellung, ob jemand asexuell ist, ist demnach für viele Menschen, die sich für die Thematik interessieren, nicht einfach zu beantworten. Dies stützt den Sinn und die Notwendigkeit des Tests, der eine strukturierte Möglichkeit zu Selbsteinschätzung und Selbstreflexion zur Verfügung stellen soll.
Männer und Frauen
Dies ist die Verteilung der Asexualitäts-Einstufung getrennt für Frauen und Männer vor Testbeginn:
% Frauen | % Männer | |
Ja, auf jeden Fall | 5,5 | 5,0 |
Ja | 15,1 | 10,6 |
Eher ja | 44,9 | 30,8 |
Eher nein | 24,6 | 27,9 |
Nein | 7,3 | 14,0 |
Nein, auf keinen Fall | 2,7 | 11,6 |
Deutlich wird, dass bei den Frauen Asexualität stärker bejaht wurde als bei Männern. Dieser Effekt täuscht nicht, sondern erreichte die statistische Signifikanz, wobei für alle Analysen einheitlich ein Signifikanzniveau von 95 % zugrunde gelegt wurde.
Mit einer Wahrscheinlichkeit von über 95 % handelt es sich also bei dem hier sichtbar werdenden Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht um einen Zufallseffekt.
Die deutlich häufigere Bejahung von Asexualität bei Frauen als bei Männern tritt auf, obwohl sowieso weit mehr Frauen durch die Suche nach Asexualität im Internet zu dem Test gefunden hatten als Männer. Bereits dies weist auf eine größere Häufigkeit von Asexualität bei Frauen als bei Männern hin.
Wenn nun auch noch selbst unter den Interessierten, sich deutlich häufiger Frauen als Männer als asexuell bezeichneten, spricht dies für einen echten und bedeutsamen Geschlechterunterschied.
Die Daten machen aber ebenfalls deutlich, dass für beide Geschlechter gilt, dass die Frage nach eigener Asexualität für die meisten Teilnehmer nicht durch ein einfaches Ja oder nein beantwortet werden kann.
Wie viele Teilnehmer sahen sich zum Testende als asexuell an?
Gesamtstichprobe
Nach dem Test wurden die Teilnehmenden erneut befragt, ob sie sich als asexuell betrachten. Es wurde erneut die gleiche sechstufige Skala verwandt. Dies ist die Verteilung der Asexualitäts-Einstufung nach dem Test für die gesamte Stichprobe:
% Gesamt | |
Ja, auf jeden Fall | 7,5 |
Ja | 20,0 |
Eher ja | 37,5 |
Eher nein | 19,0 |
Nein | 10,5 |
Nein, auf keinen Fall | 5,6 |
Nach dem Test ordneten sich mit insgesamt 65% etwas mehr Personen dem Asexualitäts-Bereich zu als vor dem Test. Außerdem nahm der mittlere Bereich (eher ja, eher nein) auf nur noch 56,5% gegenüber zuvor 66,5 % ab.
Beide Effekte erreichten die statistische Signifikanz, sind also nicht durch Zufallsschwankungen erklärbar.
Der Test führte demnach dazu, dass sich etwas mehr Teilnehmende dem Asexualitäts-Spektrum zuordneten. Zudem zeigten sich die Teilnehmenden in ihrer Einschätzung nach dem Test im Durchschnitt sicherer als vor dem Test.
Der Test scheint demnach die eigene Einschätzung im Sinne eines Selbstreflexions-Prozesses verändern zu können und führt zudem zu einer höheren Sicherheit. Damit werden zwei wesentliche Ziele des Tests erreicht.
Die Befunde zeigen, dass der Test Auswirkungen hat, dennoch behalten allerdings die meisten Teilnehmenden ihre Einschätzung im Verlauf des Tests bei:
Die Einschätzung zu Anfang und zu Ende wies nämlich eine sehr hohe Korrelation von r=,893 auf. Der Test wirft insofern nicht das Gesamtgefüge der anfänglichen Selbsteinschätzung um, sondern typischerweise sehen sich nach dem Test Teilnehmende umso eher als asexuell oder nicht-asexuell an, desto stärker sie dies auch bereits vor dem Test sahen. Der Test führt demnach zu Veränderungen der Selbsteinschätzung bei Einzelnen, wobei aber typischerweise die Selbsteinschätzung vor und nach dem Test sehr ähnlich ist.
Außer der Sachlage, dass Männer sich erneut statistisch signifikant seltener dem Asexualitäts-Bereich zuordneten als Frauen, traten keine relevanten Unterschiede zwischen Männern und Frauen auf, so dass hier auf eine separate Darstellung der Ergebnisse für Männer und Frauen verzichtet wird.
Wie hoch ist die Akzeptanz der Teilnehmenden für Testergebnis und Test?
Über die Gesamtstichprobe gaben 82 % der Teilnehmenden am Ende des Tests an, dass das Ergebnis nach ihrer Einschätzung passe. 18 % hielten das Ergebnis für unpassend 75,9 % befanden den Test für gut. 24,1 befanden den Test für nicht gut. Es zeigten sich hier keinerlei signifikante Unterschiede zwischen Männern und Frauen.
Festgestellt werden kann, dass das Ergebnis des Tests bei der großen Mehrheit der Teilnehmenden auf Zustimmung stieß. Dies ging einher mit einer positiven Einschätzung des Tests durch eine sehr große Mehrheit der Betreffenden.
Weitere Zusammenhänge
Hängt die Bewertung des Testergebnisses und des Tests davon ab, wie stark sich Teilnehmende vor oder nach dem Test als asexuell eingestuft haben?
Hierzu wurden die Korrelationen zwischen den Einstufungen von Testergebnis und Test sowie der eigenen direkten Selbsteinschätzung vor und nach Ende des Tests berechnet:
Es ergaben sich signifikante Korrelationen, die darauf hinweisen, dass Personen das Testergebnis und den Test umso positiver bewerteten je stärker sie sich am Anfang und am Ende des Testes selbst als asexuell eingestuft hatten. Allerdings waren diese Korrelationen mit Werten von maximal r=,075 so verschwindend gering, dass sie inhaltlich kaum eine Rolle spielen dürften.
Die Testakzeptanz ist insofern fast völlig unabhängig davon, ob sich Menschen selbst als asexuell oder nicht-asexuell einstufen.
Ebenfalls zeigte sich eine signifikante, aber nur moderate Korrelation von r=,38 zwischen der Einstufung der Passung des Testergebnisses und der Gesamtbewertung des Tests. Personen, die das Testergebnis für passend bewerteten, bewerteten also auch den Test positiver.
Die nur moderate Höhe des Effektes macht deutlich, dass ergebnisunabhängige Faktoren, wie die Struktur des Tests, offenbart eine größere Rolle für die Testbewertung spielen als die reine Passung des Ergebnisses.
Insgesamt kann zusammenfassend festgestellt werden, dass der Test eine sehr hohe und über die beiden in die Analyse einbezogenen Geschlechter sowie die eigene Selbsteinschätzung generalisierte Akzeptanz aufweist.
Welche Ergebnisse bringt eigentlich der Test selbst?
Der Test in der vorherigen Form erlaubt es vorwiegend, die Teilnehmer in die beiden Gruppen asexuell oder nicht-asexuell einzuteilen. Sofern Teilnehmer bis zum Ende des Tests immer wieder eher als asexuell erschienen, dann aber doch angaben „Ich verspüre ein sexuelles Verlangen, welches aber nach meinem Eindruck deutlich geringer ist als dies bei den meisten der Fall ist“ wurde als Ergebnis „gray-asexuell“ rückgemeldet.
Dies ist die Verteilung der Testergebnisse für die Gesamtstichprobe und separat für Männer und Frauen:
Gesamt | Frauen | Männer | |
Asexuell | 51,6 | 67,3 | 46,6 |
Gray | 5,3 | 3,4 | 6,0 |
Nicht-Asexuell | 43,1 | 29,3 | 47,4 |
Der deutlich werdende Unterschied zwischen Männern und Frauen erreichte die statistische Signifikanz. Wie in den direkten Selbsteinschätzungen zu Anfang und zu Ende des Testes, zeigten auch die Ergebnisse des Tests an sich, dass bei den weiblichen Teilnehmerinnen Asexualität häufiger vorkam als bei den männlichen Teilnehmern.
Die sehr geringe Rate von „gray-asexuell“ ist allerdings vermutlich ein Artefakt der Testkonstruktion. Der Test in dieser ersten Variante war vorwiegend darauf ausgerichtet, zwischen asexuell und nicht-asexuell zu unterscheiden. Der Bereich der Gray-Asexualität wurde lediglich im Rahmen einer letzten Einstufung von zuvor eigentlich bereits als asexuell identifizierten Personen mit herangezogen und weist wohl deshalb eine so geringe Seltenheit auf.
Bei den vorherigen Fragen wurden demgegenüber asexuelle und gray-asexuelle Aspekte im wesentlichen in einer Kategorie miteinander verbunden. Insofern dürfte das Testergebnis vor der Revision des Tests tatsächlich eher erfassen: 1.) vermischt asexuelle und gray-asexuelle Aspekte, 2.) noch gray-asexuelle Aspekte und 3.) nicht-asexuelle Aspekte erfassen.
Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem Testergebnis und der direkten Selbsteinschätzung?
Es zeigen sich signifikante mittelstarke positive Korrelationen zwischen der initialen Selbsteinschätzung und dem Testergebnis (r=,539) sowie zwischen der abschließenden Selbsteinschätzung und dem Testergebnis (r=,604). Der Unterschied der beiden Korrelationen fiel seinerseits signifikant aus. Signifikante Unterschiede zwischen den entsprechenden Korrelationen der weiblichen und der männlichen Teilstichprobe gab es demgegenüber nicht.
Dies bedeutet, dass das Testergebnis eine höhere Ähnlichkeit zu der abschließenden Selbsteinschätzung aufwies als zu der initialen Selbsteinschätzung. Dieser Befund zeigt, dass der Test einen Einfluss auf die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden ausübte. Die Teilnehmenden näherten ihre abschließende Selbsteinschätzung an das vorherige Testergebnis an.
Der Test und das Testergebnis sind also an den Teilnehmenden nicht spurlos vorbeigegangen, sondern der Test konnte die Selbsteinschätzung der Teilnehmenden offenbar teilweise im Sinne des Testergebnisses beeinflussen. Dies entspricht der Intention des Testes.
Welche Zusammenhänge bestehen zwischen dem Testergebnis und der Testbewertung?
So bewerteten die unterschiedlichen Personengruppen in Abhängigkeit vom Testergebnis die Passung des Ergebnisses und den Test insgesamt:
Gesamt | Frauen | Männer | |
Ergebnis passt | |||
Asexuell | 92,2% | 91,8 | 92,3 |
Gray | 59,5% | 62,5 | 50,0 |
Nicht-Asexuell | 75,9% | 75,0 | 80,2 |
Test ist gut | |||
Asexuell | 69,5 | 68,6 | 73,5 |
Gray | 71,4 | 72,1 | 65,0 |
Nicht-Asexuell | 84,0 | 83,9 | 85,4 |
Zwar zeigen sich einige Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die aber insgesamt nur sehr gering sind und an der Interpretation nichts Wesentliches ändern, so dass sie hier nicht weiter thematisiert werden.
Hauptsächlich fällt auf, dass diejenigen, für die das Testergebnis asexuell lautete, die Passung des Tests als höher beurteilten, als diejenigen mit einem anderen Ergebnis. Das gleiche Bild zeigt sich bei der Bewertung des Tests als gut oder nicht gut. Diese Effekte waren statistisch signifikant.
Das Ergebnis asexuell geht insofern offenbar mit einer exzellenten Akzeptanz für das Testergebnis und den Test insgesamt einher. Die anderen Ergebnisse gehen mehrheitlich mit einer guten bis sehr guten Akzeptanz und minimal einer moderaten Akzeptanz einher.
Auch diese Ergebnisse sind insgesamt als Stütze für den Test zu interpretieren. Der Test will nicht einfach nur die Teilnehmenden bestätigen, sondern will sie zur Reflexion und gegebenenfalls zur Veränderung ihrer Einschätzungen anhand der definitorischen Überlegungen, die dem Test zugrundelegen, motivieren.
Dies führt notwendigerweise vor dem Hintergrund menschlicher Unterschiede auch dazu, dass die beurteilte Passung der Ergebnisse und die Gesamt-Bewertung des Tests zwar eine hohe, aber keineswegs eine perfekte Übereinstimmung zwischen Test und den Denkweisen der Teilnehmenden aufzeigen kann und sollte. Dies ist der Fall, wobei die Werte für das Ergebnis Gray-Asexuell aber am geringsten sind, was wiederum der Sachlage entspricht, dass der Test vor der aktuellen Revision gray-asexuell nur sehr eingeschränkt erfasst hat.
Kontroverse Aspekte und Revision des Tests
Definition
Dem Test liegt eine Definition von Asexualität zugrunde, die folgendermaßen lautet:
„Asexualität ist die Abwesenheit des Wunsches nach Sexualität mit einem anderen Menschen bei nicht vorhandenem oder geringem sexuellen Verlangen, welches sich höchstens in nicht-hochfrequenter Selbstbefriedigung äußert.“
Masturbation
Der Einbezug der Masturbation wird teilweise in Diskussionen kritisch gesehen. Masturbation habe nichts mit Asexualität zu tun. Sachlage ist aber, dass Masturbation ein sexuelles Verhalten ist. Sexualität bezieht sich nicht nur auf sexuelle Handlungen zwischen Menschen. Hochfrequente Verhaltensweisen weisen grundsätzlich, wenn sie nicht erzwungen werden, auf eine starke innere Motivation zu diesen Verhaltensweisen hin. Hochfrequente Masturbation weist entsprechend nach hiesiger Einschätzung auf ein starkes Verlangen hin. Dies ist mit dem Begriff der Asexualität nach der dem Test zugrundeliegenden Logik nicht vereinbar.
In der Testrevision wurde die Rolle der Masturbation klarer herausgearbeitet und verständlicher sowie gleichzeitig differenzierter abgefragt. Mit Asexualität als vereinbar betrachtet wird gelegentliche Masturbation, welche eher als ein körperlich-physiologischer Begleitprozess gesehen wird, der ohne ausgeprägte sexuelle Fantasien und ohne Einsatz von Pornografie zur Stimulation von Fantasien abläuft und nicht hochfrequent den Alltag bestimmt.
Grund für die Revision war, dass sich in den Kommentaren zeigte, dass der Test teilweise dahingehend missverstanden wurde, dass jede Masturbation als unvereinbar mit Asexualität betrachtet werden würde. Dies ist aber nicht der Fall. Gleichzeitig soll mit der Revision aber auch die Position des Tests, dass Masturbation sehr wohl eine Relevanz aufweist, noch deutlicher gemacht werden.
Sexuelle Funktionsstörungen
Es gibt in der internationalen Klassifikation etablierte Störungsbilder, die sich auf den leidbesetzten Ausfall von sexuellen Funktionen oder deren Beeinträchtigung beziehen. In dem Test werden diese Störungsbilder klar von Asexualität getrennt. Als entscheidende differenzierende Komponente werden dabei die inneren sexuellen Wünsche und Fantasien und/oder das Leiden zugrunde gelegt:
- wenn Menschen sich Sexualität wünschen, aber sich daran gehindert sehen, weil sie Erektionsschwierigkeiten haben, nicht zum Orgasmus gelangen können, Schmerzen bei der Sexualität haben oder Ekelgefühlen leiden, sind sie nach der Testkonzeption nicht asexuell. Sie sind im Gegenteil „ganz normal“ sexuell, leiden aber an einer behandelbaren sexuellen Funktionsstörung.
- wenn Menschen ihr sexuelles Verlangen, z. B. im Verlauf einer Depression, verloren haben und sich dies aber schmerzlich zurück wünschen, sind sie ebenfalls nach dem Test nicht asexuell, sondern weisen einen Verlust des sexuellen Verlangens auf. Auch diese Funktionsstörung ist heute gut behandelbar.
- selbstverständlich können aber auch Menschen z. B. mit Erektions- oder Orgasmusstörungen oder Ekel vor Sexualität asexuell sein, wenn sie sich – unabhängig hiervon – keine Sexualität wünschen und kein sexuelles Verlangen erleben.
Aus drei Gründen unterscheidet der Test klar zwischen Asexualität und sexuellen Funktionsstörungen:
- Menschen mit sexuellen Funktionsstörungen, die nicht asexuell sind, stehen unter Leidensdruck und wollen die Funktionsstörungen überwinden. Dies ist ihr Recht und es ist mit modernen psychotherapeutischen oder medikamentösen Methoden im Regelfall auch möglich. Ein umfassender Forschungsstand dokumentiert mittlerweile die positiven Behandlungsergebnisse bei den verschiedenen sexuellen Funktionsstörungen. Eine richtige Einordnung ist daher wünschenswert und unmittelbar handlungsrelevant.
- eine Gleichsetzung von Asexualität mit sexuellen Funktionsstörungen käme einer Psychopathologisierung von Asexualität gleich.
- die bisherigen Testabfragen zeigen, dass Menschen, die unter Beeinträchtigungen ihrer Sexualität leiden, teilweise verunsichert sind und nicht klar zwischen sexuellen Funktionsstörungen und Asexualität unterscheiden können. Beispielsweise gaben 335 Personen, die sich als asexuell bezeichneten, an, dass sie gerne Sex genießen wollen, aber daran leider durch Ekelgefühle gehindert würden. 186 Menschen, die sich als asexuell einstuften, gaben an, dass sie nicht zum Orgasmus kommen könnten, aber ein Verlangen verspürten, beim Sex mit einem Menschen zum Orgasmus zu gelangen. 34 Personen, die sich als asexuell einschätzten, gaben an, dass sie gerne Sex haben möchten, aber daran durch Schmerzen gehindert würden. Dies macht deutlich, dass Asexualität und sexuelle Funktionsstörungen durchaus verwechselt werden. Der Test differenziert zwischen diesen, damit Menschen, die an sexuellen Funktionsstörungen leiden, ihre dadurch bedingte Verunsicherung überwinden können und auf die verfügbaren Behandlungsmethoden hingewiesen werden.
Allerdings hat die Auswertung der Kommentare und Akzeptanzabfragen ebenfalls gezeigt, dass die Einordnungen des Tests von einigen Teilnehmenden mit sexuellen Funktionsstörungen nicht akzeptiert wurden. Dabei wurde aus den Kommentaren deutlich, dass offenbar die Fragen nicht immer ausreichend klar verstanden wurden. So entstand bei einigen Teilnehmenden das Missverständnis, dass beispielsweise Ekelgefühle vor Sex durch den Test immer als Ausschluss von Asexualität gewertet würden. Dies ist nicht der Fall. Asexualität wird nur dann ausgeschlossen, wenn der Wunsch nach Sex tatsächlich vorhanden ist und die Ekelgefühle dessen Umsetzung verhindern.
In der nunmehrigen Testversion werden deshalb immer dann, wenn eine sexuelle Funktionsstörung möglicherweise besteht, ein zweites Mal dezidierte Nachfragen zu den sexuellen Wünschen und den Auswirkungen dieser sexuellen Funktionsstörung auf die sexuellen Wünsche gestellt. Dadurch sollen die Sicherheit der Ergebnisse und ihre Aussagekraft sowie die Akzeptanz des Tests weiter verbessert werden.
Selbstunsicherheit und Hemmungen
Wer Sex möchte, sich aber aufgrund von Hemmungen, Selbstunsicherheit, mangelnden Kommunikationsfertigkeiten oder sozialen Ängsten nicht traut, ist nicht asexuell. Vielmehr liegen bei solchen Menschen psychische Probleme vor, die im Übrigen insbesondere mit verhaltenstherapeutischen Methoden in der Regel hervorragend behandelbar sind. Auch Schüchternheit und Asexualität werden durchaus verwechselt: So gaben 129 Personen, die sich als asexuell bezeichneten an, dass sie gerne Sex haben wollen, sich dies aber nicht trauten.
In der Revision des Tests sind die Fragen zu diesem Bereich ausgebaut und präzisiert worden, weil der Test gelegentlich dahingehend missverstanden worden ist, dass Schüchternheit Asexualität grundsätzlich ausschließe. Wenn Schüchternheit als Ursache für nicht vorhandenen Sex angegeben wird, werden daher jetzt noch einmal explizit folgende beiden Alternativen zum Ankreuzen präsentiert:
( ) Ich möchte gerne Sex mit einem Menschen haben. Aber ich traue es mich nicht oder ich kann es nicht, weil ich zu schüchtern oder zu gehemmt bin.
( ) Ich möchte sowieso keinen Sex mit einem Menschen haben. Auch wenn ich nicht schüchtern oder gehemmt wäre, würde ich dennoch keinen Sex haben wollen.
Nur die Wahl der ersten Alternative schließt Asexualität aus.
Fetischismus und Asexualität
Das dem Test zugrundeliegende Konzept betrachtet sexuelles Verlangen und durch sexuelles Verlangen gesteuerte sexuelle Betätigungen als nicht vereinbar mit Asexualität.
Sexuelle Fantasien und Handlungen können sich nicht nur auf Menschen, sondern auch auf Gegenstände beziehen und an diesen vorgenommen werden.
Dass sich Sexualität tatsächlich nicht ausschließlich auf Geschlechtsverkehr mit Menschen oder andere Sexualpraktiken bezieht, ist seit Langem bekannt und belegt. Der Test hält es daher für sinnwidrig, Menschen, die sich an Gegenständen erregen und sich mit oder an diesen befriedigen, für asexuell zu erklären. Sie sind nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis von Asexualität nicht asexuell. Vielmehr orientiert sich ihr sexuelles Verlangen auf nicht-menschliche Objekte.
Es ist uns bewusst, dass dies teilweise in den Asexualitäts-Foren und auch in einigen Kommentaren kritisiert wird. Nach der hier vertretenen Position gibt es aber keinen Sinn, in den Bereich der Asexualität Konzepte zu integrieren, die sich in Wirklichkeit auf eine sexuelle Orientierung an nicht-menschlichen Objekten beziehen. Fetischismus ist als eine sexuelle Orientierung bereits in etabliert und benötigt es nicht, in Asexualität umbenannt zu werden.
Menschen, die keinen Sex wollen, weil sie kein sexuelles Verlangen danach haben, und Menschen, die Sex mit und an Gegenständen wollen, weisen aus psychologischer Sichtweise eine gänzlich unterschiedliche Motivbasis auf, die nicht unter einem Begriff subsumiert werden sollte.
Eine alternative Definition bezieht sich auf das nicht vorhandene Interesse an sexueller Interaktion mit einem Menschen, was für die Definition von Asexualität genügen soll. Nach dieser Definition wäre dann freilich selbst Zoophilie als Ausdruck von Asexualität zu bewerten. Denn Zoophile haben keinerlei Interesse an sexueller Interaktion mit Menschen. Dies erscheint nach hiesiger Ansicht nicht sinnvoll und würde zudem unnötigerweise Asexualität mit sexuellen Deviationen (Störungen der sexuellen Orientierung, Paraphilien) assoziieren.
Die revidierte Testform hält daher an der Unterscheidung zwischen Asexualität und Fetischismus fest. Allerdings wurden die Fragen erneut präzisiert und erweitert, um Missverständnisse zu reduzieren.
Gray-Asexualität
Der neue Test unterscheidet sich grundlegend vom alten Test dadurch, dass das Konzept der Gray-Asexualität stärker berücksichtigt wird. Dabei wird in Abhängigkeit von Vorantworten nunmehr u. a. die folgende Selbst-Einschätzung abgefragt: „Es fällt mir stark auf, dass ich sehr viel weniger Interesse an Sex habe als die allermeisten Menschen. Tatsächlich ist mein Interesse an Sex so gering, dass ich mir Gedanken darüber mache, asexuell zu sein.“ Ebenfalls werden vorhandene sexuelle Fantasien und Pornografikkonsum bei der Selbstbefriedigung in Abhängigkeit von ihrer Stärke dem Bereich der Grayasexualität zugewiesen.
Größere Stringenz
Im bisherigen Test konnten sich Teilnehmende im Verlauf des Tests über Asexualität verneinende Ergebnisse hinwegsetzen, wenn sie die dort vermittelte Sichtweise nicht teilten. In diesem Fall setzte sich der Test normal fort und in Abhängigkeit von den Antworten konnte ggf. am Ende doch noch die Einschätzung „asexuell“ resultieren. Wenn sich Teilnehmende über ein Ergebnis bewusst hinwegsetzen, wurde es also quasi als ungültig markiert.
Dadurch sollte insbesondere verhindert werden, dass aufgrund einer einmaligen und womöglich irrtümlichen Antwort der Test unausweichlich zu einem falschen Ergebnis gelangen würde.
Diese Gefahr besteht nun nicht mehr, da bei jedem möglichen Ausschlussergebnis noch einmal dezidierte Nachfragen zur Klärung erfolgen. Deshalb konnte die Möglichkeit abgeschafft werden, sich über ein Testergebnis hinwegzusetzen.
Weiteres Vorgehen
Wir werden den weiteren Verlauf genau beobachten und den revidierten Test umfassend auswerten. Dies Ergebnisse sollen in ca. zwei Monaten vorliegen und vorgestellt werden. Wir bedanken uns herzlich bei allen Teilnehmenden und freuen uns gleichzeitig, dass der Test insgesamt doch so gut ankommt. Wir bitten die Testnutzer und Testnutzerinnen sowie die Leser und Leserinnen diesen Artikel und den Test auf Ihren Webseiten zu verlinken und so weiter bekannt zu machen – danke!
Danke für die Entwicklung des Tests und die ausführliche Darstellung der Auswertung und der bisherigen Datenlage. Was mir auffällt ist die Tatsache, dass der Zusammenhang zwischen Varianten sexuellen Erlebens und Verhaltens und schweren Gewalterfahrungen, speziell sexualisierter Gewalt in der Kindheit nicht untersucht wurde, ja nicht einmal diskutiert wird. Gerade Asexualität oder ihr Gegenteil Hypersexualität stehen meiner Erfahrung nach nicht gerade selten mit erlebter sexualisierter Gewalt in der Kindheit in Verbindung, aber auch viele andere Varianten von Sexualität. Gerade die davon betroffenen Menschen sind es aber auch, die über ihre sexuelle Identität und ihre sexuellen Präferenzen sehr unsicher sind und häufig keine klaren Angaben darüber machen können. Eine solche Gruppe zeigt sich auch im Test, die Ursache der Unsicherheit wird aber nicht erforscht oder diskutiert. Interessant finde ich in diesem Zusammenhang auch wieder die prozentuale Verteilung von Männern und Frauen bei Asexuellen. Dass sich überwiegend Frauen als asexuell empfinden, entspricht der Tatsache, dass deutlich mehr Mädchen als Jungs sexualisierte Gewalt erleiden, zumindest statistisch. Ich würde eine weitergehende Abfrage zum Thema erlebte sexualisierte Gewalt in der Kindheit im Test wichtig finden. Die sexuellen Folgen komplexer Traumafolgestörungen aufgrund von Gewalterfahrungen in der Kindheit sind m.E. durch die Definition sexueller Funktionsstörungen nicht ausreichend abgedeckt. Eine aus Gewalterfahrungen in der Kindheit resultierende Asexualität wäre eventuell behandelbar, wenn Betroffene das irgendwann wünschen. Zwischen verschiedenen Geuppen von Asexuellen müsste dann noch einmal unterschieden werden.
Ob es Zusammenhänge oder gar einen ursächlichen Zusammenhang zwischen sexueller Gewalt und Asexualität gibt, ist nicht bekannt. Mir sind jedenfalls keine Studien bekannt, die dies untersucht und zu diesem Ergebnis gekommen wären. In den weiteren Informations-Fragen, wird jetzt auch sexuelle und nicht sexuelle Gewalt im Lebenslauf erhoben. Wenn dazu Daten vorliegen, werden sie hier veröffentlicht werden (wird aber noch etwas dauern).
@Gebauer: Danke für die Antwort und die Aufnahme dieser wichtigen Fragestellung in den Test. Mir ist auch keine einschlägige Studie bekannt. Es gibt aber inzwischen genügend einschlägige Literatur über die Diagnostik und Behandlung komplexer Traumafolgestörungen und insbesondere struktureller Dissoziation. Mit diesen chronisch strukturellen Zuständen geht häufig eine Empfindung der Betroffenen einher, betäubt zu sein, nicht empfinden zu können, ja nicht einmal durchgängig existent zu sein. Bevor aber Nicht-Fühlen-Können überhaupt bewusstseinsfähig wird und somit fühlbar wird, vergehen zum Teil Jahrzehnte, in denen die Person nicht fühlt, dass sie nicht fühlt, und sie kann in diesem Zustand noch nicht einmal erkennen, dass dies nicht üblichem menschlichem Erleben entspricht. Deshalb würde eine betroffene Person im Test m. E. durchaus ankreuzen asexuell zu sein ohne darunter zu leiden. Aus dem Vergleich mit sexuell empfindenden Menschen, die sie natürlich als existent wahrnimmt, wäre sie höchstens intellektuell verunsichert über ihr eigenes Sein. Es bleibt also spannend. Mir ist nur wichtig, dass nicht wieder einmal normalisiert wird (gerade Betroffene im o.g. Spektrum sehnen sich unglaublich danach, normal zu sein, wie andere zu sein), um unaushaltbar scheinende Tatsachen des Lebens nicht aushalten zu müssen. Die Betroffenen bleiben dann ein weiteres Mal allein und ohne Hilfe.
Entschuldigen Sie mein nicht perfektes Deutsch aber ich hoffe, dass ich mich verständlich ausdrücken kann. Der große Irrtum bei Vielfalt der unterschiedlichen sexuellen Preferenzen ( oder nicht vorhandenen wie bei Asexuellen Menschen) ist sofort nach der Ursache der „Störung“ zu suchen. Das heißt, wenn man nicht in das übliche heterosexuelle Schema passt, wird sofort die Frage gestellt und diskutiert. Nach so vielen Diskussionen über Gay, Lesbian, Transgender, Pansexuell, Bisexuell, Intersexuell, Heteroflexibel und und und… ist viel wichtiger endlich die Normalität der Vielfalt zu akzeptieren und der Menschen zu helfen ihre Indentität zu akzeptieren. Deswegen gefällt mir die Ausgangsposition von Herrn Gebauer: helfen wir Asexuellen ihre Indentität zu definieren und zu akzeptieren. Schaffen wir Räume für diese Art der Lebensführung über die man so wenig weiß. Aber bitte… nicht gleich nach „Störung“ suchen.