Suchen Asexuelle Liebe?

Befinden sich Asexuelle in partnerschaftlichen Beziehungen oder suchen sie solche? Wie fühlen sich Asexuelle bei Partnerbörsen aufgehoben? Macht eine asexuelle Partnersuche überhaupt Sinn?

Asexualität bedeutet nach der strengen Definition die Abwesenheit von sexuellem Verlangen. Nach der weniger strengen Definition bedeutet Asexualität die Abwesenheit des Wunsches nach Sexualität mit einem anderen Menschen bei sehr geringem sexuellen Verlangen, welches sich noch in Selbstbefriedigung äußern kann. Der Begriff der Asexualität macht also keine Aussage darüber, ob jemand eine Liebesbeziehung sucht oder nicht. Wenn jemand asexuell lebt, mag er in einer Partnerschaft sein oder eine Partnerschaft suchen. Wenn Asexuelle eine Partnerschaft anstreben, streben sie aber eine platonische Beziehung an. 

Wenn jemand keine Beziehung sucht, spricht man nicht von asexuell oder Asexualität, sondern von aromantisch oder Aromantik. Aromantik kann, muss aber nicht gemeinsam mit Asexualität auftreten. Asexuelle und Aromantiker sind also nicht gleichzusetzen:

Aromantiker möchten keine partnerschaftliche Beziehung, können aber dennoch durchaus an Sex Interesse haben und Sexualität praktizieren. Asexuelle möchten keine Sexualität, können aber durchaus nach einer Liebesbeziehung suchen.

Teilweise wird Asexualität sogar mit einer Abwesenheit des Wunsches nach innigeren zwischenmenschlichen Beziehungen überhaupt in Verbindung gebracht. Dies gehört jedoch nicht zum Definitionsbereich der Asexualität. Zudem würde hiermit unnötigerweise eine Nähe von Asexualität zu psychischen Beeinträchtigungen, wie beispielsweise der schizoiden Persönlichkeitsstörung hergestellt, die mit extrem sozial-isolativem Verhalten und dem Mangel des Wunsches nach innigen zwischenmenschlichen Beziehungen einhergeht. Dass entsprechende Persönlichkeitsauffälligkeiten letztendlich für die seelische Stabilität und Zufriedenheit von Menschen nicht förderlich sind, ist wissenschaftlich hinreichend belegt. Menschen mit ausgeprägt schizoider Persönlichkeitsstruktur stoßen in ihrem Leben typischerweise immer wieder an Punkte, wo sie unter ihrer sozialen Isolation und ihren Defiziten in Gefühlswahrnehmung und –ausdruck leiden. Es besteht keinerlei Notwendigkeit, das Konzept der Asexualität mit dem Wunsch nach weitgehender oder kompletter sozialer Isolation zu vermischen.

Vorläufige Umfrageergebnisse

Asexuelle Partnersuche und Beziehungserfahrungen

In unserer laufenden Asexualitäts-Umfrage zeigt sich, dass der Wunsch nach einer Partnerschaft bei Asexuellen weit verbreitet ist.  66 % der befragten Asexuellen geben bisher an, dass sie den Wunsch nach einer Partnerschaft haben. Bei der Nicht-Asexuellen liegt dieser Prozentsatz bei 86%.  61% der Asexuellen möchten gerne in einer Partnerschaft mit einem Asexuellen sein, wobei 67% sich aber auch eine Beziehung mit einer nicht asexuellen Person vorstellen können, wenn diese ihre Asexualität akzeptiert.

Der Umgang mit Sexualität in einer möglichen Beziehung zwischen einem asexuellen und nicht-asexuellen Menschen würde sich bei 41 % der Befragten nach ihren Angaben so gestalten, dass die Sexualität auf die Selbstbefriedigung beschränkt werden würde. 27 % der Befragten geben an, dass der Partner oder die Partnerin sexuelle Wünsche mit anderen Menschen in Absprache befriedigen können dürfte.

10% der befragten Asexuellen befinden sich in einer Partnerschaft, 6% in einer platonischen Partnerschaft mit einem Asexuellen. 38% geben an, noch nie eine Partnerschaft gehabt zu haben. 26% sagen, sie seien noch nie wegen ihrer Asexualität in einer Beziehung gewesen. Bei 39% scheiterte eine Beziehung an ihrer Asexualität. 97% der Befragten geben an, dass die Partnersuche für Menschen, die asexuell seien, schwerer sei.

Es zeigt sich deutlich, dass die Mehrheit asexueller Menschen eine Partnerschaft anstrebt. Der Anteil Asexueller, die eine Partnerschaft möchten, scheint höher zu sein als der entsprechende Anteil bei Nicht-Asexuellen. Da viele von negativen Erfahrungen mit Partnerschaften und einer Erschwernis der Partnersuche berichteten, mögen hier Gründe für den Verzicht auf eine Beziehung liegen. Die dauerhafte Frustration des Wunsches nach einer partnerschaftlichen Beziehung mag durchaus überdurchschnittlich oft dazu führen, dass von dem Wunsch ganz Abstand genommen wird. Dass dennoch die deutliche Mehrheit der befragten Asexuellen angibt, sich eine partnerschaftliche Beziehung zu wünschen, ist umso bedeutsamer. Offenbar ist sie Sehnsucht nach einer partnerschaftlichen Beziehung im Durchschnitt doch so hoch ist, dass selbst Erschwernisse im Regelfall nicht zur Aufgabe des Wunsches nach einer partnerschaftlichen Beziehung führen.  Entsprechend wünschen sich auch 95 % der Befragten, dass Partnervermittlungen eine asexuelle Partnersuche anbieten, was bisher nur Gleichklang tut.

Geschlechtliche Anziehung

Bezüglich der emotionalen Hingezogenheit zu anderen Menschen in Abhängigkeit von deren geschlechtlichen Merkmalen ergeben die bisherigen Umfragebefunde, dass die Mehrheit asexueller Menschen sich zum anderen Geschlecht (53 %) hingezogen fühlt, wobei 12,5 % ein Hingezogensein zu beiden Geschlechtern und 7 % ein Hingezogensein zum gleichen Geschlecht beschreiben. 21 % geben an, dass für sie das Geschlecht bei der Anziehung keinerlei Rolle spiele. Vor allem dieser Prozentsatz ist deutlich höher als bei der nicht-asexuellen Vergleichsgruppe (9 %). Schließlich geben 7 % der befragten Asexuellen an, dass sie sich zu Menschen überhaupt nicht emotional hingezogen fühlen. Diese Angabe ist bisher von keinem Mitglied der nicht-asexuellen Vergleichsgruppe gemacht worden ist.

Diese vorläufigen Befunde weisen darauf hin, dass die typischerweise recht stark an Geschlechtsmerkmale gekoppelte emotionale Anziehung bei Asexuellen aufgelockert ist. Geschlechtliche Merkmale scheinen für Asexuelle im Durchschnitt eine geringere Rolle zu spielen. Immerhin jeder fünfte asexuelle Mensch beschreibt eine geschlechterübergreifende Ausrichtung der erlebten emotionalen Anziehung. Aber auch bei Asexuellen fühlt sich eine Mehrheit zum anderen Geschlecht hingezogen. Ebenfalls gibt es – wie auch bei Sexuellen – Anziehungen zum gleichen Geschlecht sowie zu beiden Geschlechtern feststellen.

Resümee

Die Mehrheit asexueller Menschen wünscht sich offenbar eine Partnerschaft. Die asexuelle Partnersuche wird aber als deutlich erschwert erlebt. Außerdem berichten recht viele asexuelle Menschen von negativen Erfahrungen mit Beziehungen aufgrund ihrer Asexualität. Diese Erschwernisse mögen zu einem mehr oder weniger großen Anteil erklären können, warum Asexueller im Vergleich zu Nicht-Asexuellen seltener eine Partnerschaft anstreben.

Wenn Asexuelle eine Beziehung wünschen, bevorzugen sie mehrheitlich eine Beziehung mit einer ebenfalls asexuellen Person. Jedoch können sich mehr als zwei Drittel auch eine Partnerschaft mit einer nicht-asexuellen Person vorstellen, sofern diese ihre Asexualität akzeptiert. Mehrheitlich orientieren sich Asexuelle partnerschaftlich am anderen Geschlecht, häufiger als bei Sexuellen werden aber geschlechtliche Merkmale als für die Anziehung irrelevant bewertet. Ebenfalls gibt es gleichgeschlechtliche und bi-geschlechtliche Orientierungen.

Asexuelle wünschen sich mehrheitlich mehr Unterstützung bei der Partnersuche und halten es in überwältigender Mehrheit für einen Missstand, dass die meisten Partnerbörsen keine asexuelle Suchoption anbieten.

 

About Author:

Guido F. Gebauer, studierte Psychologie an den Universitäten, Trier, Humboldt Universität zu Berlin und Cambridge (Großbritannien). Promotion an der University of Cambridge zu den Zusammenhängen zwischen unbewusstem Lernen und Intelligenz. Im Anschluss rechtspsychologische Ausbildung, Tätigkeit in der forensischen Psychiatrie und 10-jährige Tätigkeit als Gerichtsgutachter. Gründung der psychologischen Kennenlern-Plattform www.Gleichklang.de 2006. Bloggt u.A. für asexuell.info, Hochsensible.eu, vegan.eu.

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